Thyssen will 6000 Jobs streichen

Aus! Die geplante Fusion der Stahlsparten von Thyssen-Krupp und Tata ist geplatzt. Jetzt sollen 6000 Arbeitsplätze dem Rotstift zum Opfer fallen.

Von den weltweit 6000 Stellen, die bis 2022 abgebaut werden sollen, entfallen 4000 auf Deutschland. Das sind 2000 mehr als die Stahlfusion gekostet hätte.

Das teilte der Vorstandsvorsitzende Guido Kerkhoff am 10. Mai mit. Arbeitsdirektor Oliver Burkhard sprach von einem „echt tiefgreifenden Einschnitt“. Betriebsbedingte Kündigungen könnten nicht ausgeschlossen werden.

Die IG Metall hatte wegen der Stahlfusion eine Beschäftigungsgarantie bis September 2026 durchgesetzt, doch dieser Tarifvertrag tritt jetzt ebenfalls nicht in Kraft. In der Stahlindustrie hat es noch nie betriebsbedingte Kündigungen gegeben. Und das soll auch so bleiben, sagte der nordrhein-westfälische IG Metall-Bezirksleiter Knut Giesler dem Berliner „Tagesspiegel“.

Mit einem weiteren Stellenabbau ist in der Verwaltung, der Autosparte und dem Anlagenbau zu rechnen.Thyssen-Krupp und Tata wollten den mit 48 000 Beschäftigten größten europäischen Stahlkonzern nach Areclor Mittal bauen. Dieser Plan hat sich ebenso zerschlagen wie der, den Konzern in zwei eigenständige, börsennotierte Unternehmen für Werkstoffe und Industriegüter aufzuspalten.

Für die 27 000 Stahlbeschäftigten von Thyssenkrupp sei das Veto von EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager „ein harter Schlag“, sagte Kerkhoff. Sie hatte ihre Zustimmung zur Fusion von Voraussetzungen abhängig gemacht, die er nicht akzeptieren wollte, weil sie dann die Fusion nicht gerechnet hätte.

IG Metall fordert neue Arbeitsplatzsicherheit

Der stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende und IG Metall-Sekretär Markus Grolms sagte: „Das alles ist eine unsägliche Belastung für die Beschäftigten.” Kerkhoff habe die Aufspaltung des Konzerns selbst vorgeschlagen. „Wenn das jetzt nicht mehr funktionieren soll, dann muss er uns das schon erklären.“ Der Vorstand müsse „Vorschläge machen, wie es besser werden soll”. Kerkhoff will die lukrative Aufzugsparte, die Perle des Konzerns, an die Börse bringen. Der Aufsichtsrat soll darüber am 21. Mai entscheiden. Der Konzern soll „grundlegend“ neu ausgerichtet werden. Die Arbeitnehmervertreter wollen diesen Weg mitgehen, „aber es muss fair zugehen“, sagte Grolms. Akzeptabel sei nur eine Lösung, die allen fünf Sparten Perspektiven bieten.

Den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden von Thyssen-Krupp Steel Europe (TKSE), Tekin Nasikkol, schockte das Scheitern der Stahlfusion nicht. „Das geplante Joint Venture war kein Wunschkonzert der Arbeitnehmer“, sagte er. „Auf die Sorgen und Ängste der Beschäftigten haben wir mit dem Tarifvertrag Zukunft die richtigen Antworten gefunden.“ Gemeint ist die Jobgarantie bis 2026. An derart langfristigen Sicherheiten ist die IG Metall weiterhin interessiert. Sie seien auch in der jetzigen Situation notwendig, sagte IG Metall-Bezirksleiter Giesler.

Montanmitbestimmung bleibt erhalten

Nasikkol appellierte an die Vorstände von Konzern und TKSE: „Lassen Sie uns gemeinsam an einer Zukunftsstrategie Stahl arbeiten.“ Gut sei, dass der Konzern – und damit die Montanmitbestimmung – erhalten bleibe. Arbeitsdirektor Burkhard signalisierte Entgegenkommen: „Wir wollen die Veränderungen mit und nicht gegen die Mitarbeiter.“

Die Thyssen-Stiftung teilte mit, sie stehe nach wie vor „an der Seite des Unternehmens und seiner Mitarbeiter“. Der nordrhein-westfälische Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) will „in den kommenden Monaten besonders darauf achten, dass die Interessen der Mitarbeiter und der Standorte in NRW gewahrt werden.“

Kerkhoff rechnet in diesem Jahr unterm Strich mit Verlusten. Die vier Milliarden Euro, in er in das Joint Venture mit Tata auslagern wollte, drücken auf die Bilanz.

Auch deshalb soll die Aufzugsparte bis zu 49,9 Prozent an die Börse gebracht werden. Der Börsengang soll rund sieben Milliarden Euro in die Kasse spülen; Geld, das zur Stabilisierung des Konzerns eingesetzt werden müsse, forderte IG Metall-Bezirksleiter Giesler. „Eine Ausschüttung an die Aktionäre darf es nicht geben.“

Mit weiteren Konflikten ist zu rechnen. Großaktionär Cevian forderte eine Neuausrichtung „ohne Tabus“. Der frühere IG Metall-Vorsitzende und stellvertretende Aufsichtsratsvorsitzende von TKSE, Detlef Wetzel, setzte ein Stoppschild: „Wir werden nicht zulassen, dass nur die wertvollen Teile von Thyssen-Krupp verwertet und der Rest sich selbst überlassen wird.“

Aktie schießt nach oben

Die Börse reagierte auf die Kehrtwende begeistert. Die Aktie schoss um bis zu 25 Prozent in die Höhe. Laut „Süddeutscher Zeitung“ erhöhte sich damit der Börsenwert des Konzerns um fast 1,5 Milliarden Euro.