Thyssen-Krupp Steel weitet Stellenabbau aus und streicht 750 weitere Jobs – IG Metall vereitelt Schlimmeres

Zu der bereits beschlossenen Streichung von 3000 Stellen kommen weitere hinzu. Zudem könnten einzelne Bereiche an andere Betreiber ausgelagert werden. Thyssen-Krupp treibt den Jobabbau im Stahlgeschäft weiter voran. Wie der Industriekonzern am Mittwoch mitteilte, sollen zusätzlich zu den bereits beschlossenen 3000 Stellen weitere 750 Jobs in Verwaltung und produktionsnahen Bereichen gestrichen werden. Die IG Metall hat der Entscheidung nach langen und harten Verhandlungen zugestimmt und eine entsprechende Basisvereinbarung mit dem Management der Stahlsparte geschlossen.

Der Finanzvorstand des Konzerns, Klaus Keysberg, der auch im Aufsichtsrat der Stahlsparte sitzt, bezeichnete die Vereinbarung „als wichtigen Schritt in die richtige Richtung“ und als „Meilenstein auf dem Weg zu einer möglichen Verselbstständigung des Stahlbereichs“. Die Vereinbarung werde dazu beitragen, den durch Corona entstandenen wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. „Das ist Voraussetzung dafür, den Stahl nachhaltig zukunftsfähig aufzustellen.“

In der vergangenen Woche hatte Thyssen-Krupp angekündigt, die Stahlsparte nach der geplatzten Übernahme durch den britischen Konkurrenten Liberty in Eigenregie zu sanieren. Als mögliche Option hatte der Vorstand dabei das Herauslösen von Thyssen-Krupp Steel aus dem Konzernverbund in Aussicht gestellt. Dafür gebe es eine Reihe von Voraussetzungen, die nun abgearbeitet würden, lautete die Mitteilung des Konzerns.

Pläne für „Outsourcing nach Wild-West-Manier“

Einsparungen will das Management unter anderem erreichen, indem künftig einzelne Geschäftsbereiche der Stahlsparte ausgegliedert werden. Dem Vernehmen nach geht es etwa um die Logistik oder den Service von Thyssenkrupp Steel. Es habe Pläne für „Outsourcing nach Wild-West-Manier“ gegeben, berichtet der frühere IG Metall-Chef Detlef Wetzel, der nun als Vize-Aufsichtsratschef bei Thyssenkrupp Steel die Interessen der Beschäftigten vertritt. „Das haben wir verhindert“, betont Wetzel.

Allerdings hat sich die Gewerkschaft mit dem Management im Grundsatz darauf verständigt, wie ein mögliches „Betreibermodell“ für Teile der Stahlsparte aussehen könnte. Mit diesem Modell wolle der Konzern bestimmte Geschäftsbereiche in Zukunft mit Partnern von außen weiterführen, heißt es in einer Mitteilung der IG Metall. „Niemand fällt in die Tariflosigkeit! Wir lassen nicht zu, dass sich das Unternehmen seiner sozialen Verantwortung entzieht“ so Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall NRW.

Dass Thyssenkrupp einzelne Geschäftsbereiche mit Partnern von außen betreiben wolle, könne die Gewerkschaft dem Unternehmen nicht verbieten. „Aber wir konnten sehr wohl verhindern, dass Thyssenkrupp Tarifflucht begeht und Teile seiner Belegschaft in Gesellschaften mit Billigtarifen oder gar in die Tariflosigkeit abschiebt“, betont Giesler. „Unsere Vereinbarung zum Betreibermodell setzt hier ganz klare Standards!

Gesamtbetriebsratschef Tekin Nasikkol berichtet, es sei in den vergangenen Wochen bei Thyssenkrupp Steel „über Standortschließungen, das Verschieben der Investitionen, billiges Outsourcing von 3000 Beschäftigten und massiven Personalabbau“ diskutiert worden. „Es war dreist, wie hier unter dem Deckmantel der Corona-Krise versucht wurde, die große Axt anzulegen. Das haben wir verhindert“, sagt Nasikkol.

Die derzeitige Strategie von Stahlchef Bernhard Osburg sieht vor, die Sparte stärker auf die Produktion höherer Stahlqualitäten insbesondere für die Automobilindustrie zu fokussieren. Neben dem Stellenabbau hatte das Management mit der IG Metall daher auch ein Investitionspaket beschlossen, um die Anlagen entsprechend zu modernisieren.

Zuletzt hatte der Konzern mehrere Großaufträge vergeben, teilweise auch für den Bau komplett neuer Anlagen. „Wir machen Tempo bei der Umsetzung des Investitionspakets, denn das ist der klare Weg zu mehr Profitabilität und Stärkung unserer Position im Wettbewerb“, so Osburg laut Mitteilung. Auch die IG Metall besteht auf die verabredeten Investitionen, die dringend notwendig sind. 

Rückenwind dank steigender Nachfrage

Dabei kann die Sparte diese Investitionen nicht aus eigener Kraft finanzieren. So schrieb die Stahltochter im abgelaufenen Geschäftsjahr (bis Ende September) einen Betriebsverlust von rund 2,7 Milliarden Euro, nachdem die Nachfrage infolge der Corona-Pandemie dramatisch eingebrochen war. Zuletzt erhielt die lange gebeutelte Branche aber wieder Rückenwind: Zwischen Oktober und Dezember lagen die Bestellungen bei Thyssen-Krupp Steel sogar rund 17 Prozent über dem Vorjahreszeitraum, der noch nicht durch die Pandemie belastet wurde.

Der nun angekündigte Stellenabbau soll bis zum Ende des Geschäftsjahres 2022/23 vollzogen werden. Der Personalvorstand der Stahlsparte, Markus Grolms, lobte die Zusammenarbeit mit der IG Metall: „Wir haben in schwierigen Zeiten einen fairen Ausgleich erzielt“, so der Manager. „Tarifvertrag inklusive der Beschäftigungssicherung bleiben erhalten, und zugleich setzen wir weitere Restrukturierungen zur Kostensenkung um.“

An der Börse hat sich Thyssenkrupp mittlerweile deutlich erholt. Auf dem Tiefpunkt der Corona-Krise war ein Anteilsschein weniger als vier Euro wert. Am Mittwoch notierte die Aktie ein Prozent tiefer bei 11,60 Euro.

Auch der Standort tkES in Gelsenkirchen ist auf einem guten Weg und der Geschäftsführer der IG Metall Gelsenkirchen, Ralf Goller, setzt darauf, „…dass es keinen weiteren Arbeitsplatzabbau in Gelsenkirchen gibt. Die Verwaltung ist schon auf Kante genäht und außerdem haben wir schon Sonderlösungen per Tarifvertrag für tkES vereinbart.“

 

Quellen: Handelsblatt / Süddeutsche Zeitung / WAZ