Erste Tarifverhandlung in der Stahlindustrie: Die IG Metall fordert 8,5 Prozent mehr Geld – für eine Laufzeit von 12 Monaten – sowie eine Verkürzung der Arbeitszeit, um die Transformation sozial zu gestalten. Das Angebot der Arbeitgeber? Völlig unzureichend.

Die Tarifverhandlungen in der Stahlindustrie sind gestartet. In der ersten Verhandlung für die Beschäftigten der nordwestdeutschen und ostdeutschen Eisen- und Stahlindustrie hat die IG Metall ihre Forderung nach einer Entgelterhöhung von 8,5 Prozent und einer Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit auf 32 Stunden bei vollen Lohnausgleich begründet.

Mit Blick auf die Entgeltforderung wiesen die beiden Verhandlungsführer der IG Metall – Knut Giesler für die nordwestdeutsche Stahlindustrie und Dirk Schulze für die ostdeutsche Stahlindustrie – darauf hin, dass die hohe Inflation vielen Beschäftigten in den vergangenen eineinhalb Jahren ein großes Loch in den Geldbeutel gefressen habe und die Menschen auch heute noch belaste. Die IG Metall habe in der Corona-Zeit und auch nach Beginn des Krieges in der Ukraine verantwortungsvolle Tarifpolitik betrieben. Nun sei es an der Zeit, dass die Arbeitgeber Verantwortung zeigen. Das bedeute vor allem soziale Sicherheit und damit mehr Geld für die Beschäftigten.

Angebot der Arbeitgeber völlig unzureichend

Die Arbeitgeber boten 3,1 Prozent für 15 Monate an (entspricht 2,48 Prozent umgerechnet auf 12 Monate). Dies wiesen die Verhandlungsführer der IG Metall als völlig unzureichend zurück.

„Die Stahlarbeiter*innen erwarten völlig zu Recht einen Ausgleich für die rasant gestiegenen Lebenshaltungskosten und eine deutliche und dauerhafte Erhöhung der Einkommen“, erklärte Dirk Schulze, Verhandlungsführer im Osten. „Das erste Angebot spiegelt die ungewöhnliche Belastung der Beschäftigten durch die hohe Inflation nicht angemessen wider. Die Arbeitgeber stehen in der Pflicht, zur zweiten Verhandlungsrunde nachzubessern und ein verhandlungsfähiges Angebot vorzulegen. Dazu muss auch eine Absenkung der Arbeitszeiten gehören.“

32-Stunden-Woche für soziale Gestaltung der Transformation

Neben 8,5 Prozent mehr Geld fordert die IG Metall die schrittweise Verkürzung der Arbeitszeit von derzeit 35 auf 32 Stunden in der Woche. Nordwest-Verhandlungsführer Knut Giesler darauf hin, dass die Arbeitgeber sich nicht aus ihrer sozialen Verantwortung stehlen könnten: „Die technische Transformation zu grünem Stahl wird in einigen Jahren zum Druck auf Beschäftigung führen. Denn nach der Umstellung auf die Direktreduktionsanlagen werden für die Stahlproduktion weniger Menschen benötigt werden. Darum braucht die technische Transformation eine soziale Gestaltung. Hier spielt die Arbeitszeitverkürzung mit vollem Entgeltausgleich eine herausragende Rolle. Sie sichert Beschäftigung und Entgelt.“

Die IG Metall-Verhandlungsführer zeigten sich verärgert, dass die Stahlarbeitgeber die Arbeitszeitverkürzung mit Verweis auf den Fachkräfteengpass zurückgewiesen haben. „Die Unternehmen haben sich die aktuelle Situation selbst eingebrockt“, kritisiert Giesler. „Sie haben in den letzten drei Jahren bundesweit 7000 Stellen abgebaut. Wer bei den ersten dunklen Wolken am Konjunkturhimmel so handelt und jetzt über fehlendes Personal klagt, handelt verantwortungslos.“

Schulze zeigte sich überzeugt, dass die Arbeitszeitverkürzung bei der Suche nach Fachkräften helfe. „Eine gute Vereinbarkeit von Beruf und Privatem hat gerade für junge Menschen eine sehr große Bedeutung. Kürzere Arbeitszeiten sind daher ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Branchen, wenn es um die Akquise neuer Mitarbeiter geht“, so Schulze. Zudem führe Arbeitszeitverkürzung zu weniger Krankheitsausfällen und einer erwiesenermaßen höheren Produktivität.

Weiterer Fahrplan zur Stahl-Tarifrunde

  • 23. November 2023: Zweite Verhandlung
  • 30. November 2023, 24 Uhr: Ende der Friedenspflicht. Danach sind dann Warnstreiks zulässig.

In der saarländischen Stahlindustrie gelten eigene Tarifverträge mit anderen Laufzeiten. Hier sind die Entgelttarife erstmals zum 29. Februar 2024 kündbar.

 

* Foto: Bernd Röttgers