Nirgends zeigt sich der Nutzen von Gewerkschaften so stark wie beim Thema Tarif. Wer in einem Betrieb mit Tarifvertrag arbeitet, verdient meist deutlich mehr als tariflose Beschäftigte. Und das ist längst nicht der einzige Pluspunkt.

Was verdient eigentlich ein Materialversorger? Die Frage klingt simpel, doch die Antwort ist gar nicht so einfach. Sie lautet: Es kommt darauf an.

Fein raus ist unser Materialversorger, wenn er bei einem Autohersteller beschäftigt ist und Fahrwerk-Teile an die Montagestraßen liefert. Dann wird er nach einem Tarifvertrag bezahlt, den die IG Metall mit dem Arbeitgeberverband der Metall- und Elektroindustrie oder direkt mit dem Autohersteller abgeschlossen hat. Sein Stundenverdienst lag im Jahr 2010 bei 15,70 Euro, wie die jüngste verfügbare Verdiensterhebung des Statistischen Bundesamts zeigt.

Ganz anders sieht der Lohnzettel aus, wenn der Materialversorger bei einem Werkvertragsunternehmen angestellt ist. Im besten Fall ist das Unternehmen tarifgebunden, dann zahlt es zum Beispiel nach einem Logistik-Tarifvertrag 11,79 Euro pro Stunde. Gibt es keinen Tarifvertrag – in der Branche durchaus üblich – dann hat der Beschäftigte lediglich Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro.

Großer Effekt

Das Beispiel des Materialversorgers ließe sich beliebig ergänzen: Laut den Zahlen des Statistischen Bundesamts kam ein Facharbeiter in der Metallindustrie mit Tarif auf 20,65 Euro pro Stunde, ohne Tarif auf 17,12 Euro – satte 18 Prozent weniger. Ein Angelernter in derselben Branche erhielt mit Tarif 15,57 Euro, ohne Tarif nur 11,20 Euro – das sind sogar 28 Prozent weniger.

Die Zahlen zeigen, wie groß der Effekt von Tarifverträgen für den Einzelnen ist. Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall, formuliert es so: „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit: Voraussetzung ist und bleibt die Tarifbindung. Sie ist die Gerechtigkeitsfrage Nummer eins.“ Die IG Metall werde sich deshalb dafür stark machen, „Jahr für Jahr die Tarifbindung von Betrieben und Beschäftigten zu erhöhen“.

Die positiven Auswirkungen der Tarifbindung sind nicht aufs Finanzielle beschränkt. Auch in vielen anderen Punkten stehen Beschäftigte mit Tarifvertrag weit besser da als ihre tariflosen Kollegen.

Arbeitszeit:

48 Stunden pro Woche – so lange darf die wöchentliche Arbeitszeit im langfristigen Durchschnitt höchstens sein. Das regelt das Arbeitszeitgesetz. In tariflosen Bereichen beträgt die Arbeitszeit häufig 40 Stunden oder mehr in der Woche. Mit Tarifvertrag ist die Arbeitszeit dagegen deutlich geringer, in der Metall- und Elektroindustrie beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit zum Beispiel 35 Stunden in Westdeutschland, 38 Stunden in Ostdeutschland.

Urlaub und Urlaubsgeld:

Der gesetzliche Urlaubsanspruch beträgt bei einer 5-Tage-Woche lediglich 20 Tage im Jahr. Beschäftigte mit Metall-Tarifvertrag haben Anspruch auf 30 Tage, dazu gibt es rund 70 Prozent eines Monatseinkommens als Urlaubsgeld.

Weihnachtsgeld:

Weihnachtsgeld erhalten 72 Prozent der Beschäftigten mit Tarif, aber nur 42 Prozent der tariflos Beschäftigten.

Frauen:

Die sogenannte Entgeltlücke – also der Betrag, den Frauen im Schnitt weniger verdienen als Männer – ist in tarifgebundenen Unternehmen deutlich kleiner als in tariflosen.

Azubis:

Nach der Ausbildung übernommen werden: Diese Aussicht lässt viele Azubis ruhiger schlafen. In der Metall- und Elektro-Industrie und in der Stahlbranche ist die unbefristete Übernahme per Tarifvertrag gesichert, sofern es ein betriebliches Verfahren dazu gibt. Fehlt dieses, gibt es eine 12-monatige Übernahme.

Bei Tarifverhandlungen hat die IG Metall immer wieder besondere Regeln für Auszubildende durchgesetzt: Zum Beispiel, dass Fahrtkosten zur Berufsschule übernommen werden oder Ausbildungsvergütungen überproportional steigen.

Leiharbeit:

Beschäftige bei Leiharbeitsfirmen erhalten in vielen Branchen der IG Metall Zuschläge. Die Branchenzuschläge verkleinern die oftmals bestehende Entgeltlücke zur Stammbelegschaft.

Für Leiharbeitnehmer, die in der Metall- und Elektroindustrie eingesetzt sind, hat die IG Metall außerdem in den Tarifverträgen „Leih- und Zeitarbeit“ vereinbart: Spätestens nach 24 Monaten Einsatzzeit müssen Betriebe Leiharbeitern einen festen Arbeitsplatz anbieten. Zudem müssen die Firmen mit dem Betriebsrat verhandeln, wenn sie Leiharbeitnehmer einsetzen wollen.

Bildung:

Viele Berufe werden ständig anspruchsvoller. Die IG Metall verschafft den Beschäftigten bessere Fortbildungsmöglichkeiten. Dazu gibt es Tarifverträge über betriebliche Weiterbildung. Die Tarifrunde 2015 hat außerdem den Einstieg in die Bildungsteilzeit gebracht. Metall- und Elektro-Beschäftigte können sich nun freistellen lassen, wenn sie sich weitebilden oder studieren möchten. Die Rückkehr in eine Vollzeitbeschäftigung ist garantiert.

Altersteilzeit:

Flexible Übergänge in die Rente – das wünschen sich viele. Die Beschäftigtenbefragung der IG Metall hat ergeben, dass nur ein Drittel der Menschen glaubt, bis zum gesetzlichen Rentenalter arbeiten zu können. Mit Tarifverträgen der IG Metall können viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Altersteilzeit gehen, zum Beispiel in der Metall- und Elektro- und in der Stahlindustrie mit ihren körperlich fordernden Berufen.

Gerechtigkeit und Transparenz:

In einem Betrieb ohne Tarifvertrag können Chefs nach Gutdünken entscheiden, wer wie viel verdient. Dass führt oft zu Ungerechtigkeit: Zwei Beschäftigte in der gleichen Position, die gleich viel leisten, werden trotzdem unterschiedlich bezahlt. Mit Tarifvertrag sind die Entgelte klar geregelt und transparent.