Die Folgen der Corona-Krise – ein Gastbeitrag von Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup

Die Folgen der Corona-Krise – ein Gastbeitrag von  Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup

Diesmal müssen die Reichen zahlen

Corona-Solidarität heißt: Drei Jahre gibt es eine Vermögensabgabe von zehn Prozent bei einem Freibetrag von 100.000 Euro.

von Heinz-J. Bontrup

Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr bei einer noch optimistischen Sicht um rund 10 Prozent einbrechen. Es kann auch schlimmer kommen. Jetzt werden dringend notwendige staatliche Hilfsprogramme aufgelegt. Das ist absolut richtig. Die dabei bisher von der Regierung zugesagten Hilfen werden aber nicht annähernd ausreichen.

Nicht noch einmal, wie bei der 2007 ausgebrochenen weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise, dürfen jetzt aber infolge der Corona-Viruspandemie die Krisenlasten auf das „Konto“ Staatsverschuldung verbucht werden. Damals wurden die Regierungen und Notenbanken weltweit, sozusagen über Nacht, zu heuchlerischen Keynes-Anhängern, die zuvor noch als Marktradikale den Staat quasi abschaffen wollten. Die Notenbanken pumpten Geld zum Preis null in den Wirtschaftskreislauf und die Regierungen legten kreditfinanzierte Konjunkturprogramme von zuvor noch nie erreichten Größenordnungen auf. Die staatlichen Verschuldungskonten schossen in Folge in die Höhe. In Deutschland auf über 80 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Schon kurz nach der überwundenen Krise, etwa ab 2010, wollten aber die Neoliberalen von Keynes und seinem defizit spending nichts mehr wissen. Es kam zu einer gespaltenen Wirtschaftspolitik. Die Europäische Zentralbank fuhr zwar weiter eine expansive Geldpolitik und rettete damit den Euro, während jedoch eine unbelehrbare durch und durch neoliberale Politikerelite, wie schon vor der Krise, auf einen brutalen Austeritätskurs, auf eine restriktive Finanzpolitik, setzte.

Zum Abbau der Staatsverschuldung, der öffentlichen Armut, wurden letztlich die herangezogen die eh nichts hatten. Mehr Widerspruch geht nicht. Renten wurden beschnitten, Sozial- und Gesundheitshaushalte gekürzt, den Schulen und Hochschulen genauso Sparhaushalte aufgezwungen wie den Rathäusern in den Städten und Gemeinden. Die öffentliche Infrastruktur verfiel und nicht zuletzt wurde die Umwelt weiter mit Füßen getreten.

Aber, so die Botschaft der neoliberalen Adepten, die Staatsverschuldung müsse schließlich durch die Armen und Machtlosen in der Gesellschaft abgebaut werden. In einem neoliberalen Wahn wurde eine Schuldenbremse ins Grundgesetz geschrieben und schließlich die „schwarze Null“ im Staatshaushalt zum Mantra erklärt. Ergebnis: Von 2012 bis 2019 kam es in Deutschland zu einem staatlichen Finanzierungsüberschuss von 233,6 Milliarden Euro. Gleichzeitig ist der Reichtum weiter kräftig gestiegen, aber die Armutsquote auch.

Dies alles darf nicht noch einmal wiederholt werden! Es wird aber wiederholt, wenn die jetzt unvermeidliche Krisenlast wieder auf das „Konto“ Staatsverschuldung gebucht wird. Am Ende wird uns jedoch für die jetzt notwendig ausgereichten Hilfen die Rechnung präsentiert werden. Es ist unglaublich, wie naiv mit dieser, nach der Krise zu finanzierenden großen Last bisher umgegangen wird. Man hat den Eindruck, die Menschen und selbst Ökonomen glauben, das Geld fällt vom Himmel. Hinter Geld steht jedoch immer Arbeit, die jetzt wegen der Corona-Pandemie nicht geleistet und auch später kaum noch zur Bezahlung der Krisenrechnung nachgeholt werden kann.

Trotzdem gibt es in der Ökonomie einen Ausweg – in Form von in Geld gespeicherter Arbeit aus der Vergangenheit auf den Sparkonten. Diese sind in Deutschland überprall gefüllt. Allein das Nettogeldvermögen der privaten Haushalte, ohne Immobilien- und Sachvermögen, lag im ersten Quartal 2019 bei 4.360 Milliarden Euro. Hier sind sämtliche Verbindlichkeiten bereits abgezogen. Rechnet man diese dazu, so kommt man auf ein Bruttogeldvermögen von 6.170 Milliarden Euro. Das Geldvermögen halten jedoch hochkonzentriert nur Wenige.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat Recht. Wir brauchen jetzt eine gesellschaftliche „Corona-Solidarität“. Im Gegensatz zur Kanzlerin, die nicht mit einem Wort sagt, was sie dabei unter „Solidarität“ versteht, sage ich es hier ganz konkret: Die reichen privaten Haushalte werden sich in dieser Krise für ihre „räuberische Ersparnis“ (Keynes), und damit der zumeist getätigten Aneignung von Arbeit anderer, solidarisch verhalten müssen. Dazu muss die neoliberale Politikerelite, selbst wenn sie dabei ins Würgen kommt, sofort eine dreijährige Vermögensabgabe in Höhe von 10 Prozent auf das gesamte Nettogeldvermögen der Deutschen, bei einem Freibetrag von 100.000 Euro, erheben. Der Staat könnte dann etwa über die drei Jahre mit Einnahmen von rund einer Billion Euro rechnen. Diese Billion ist bitter notwendig. Nicht nur zur Bekämpfung der Corona-Pandemie, sondern auch zur Gestaltung eines sozial-ökologischen Umbaus der deutschen Volkswirtschaft.

Der Beitrag ist am 24. März 2020 in der Frankfurter Rundschau erschienen