Die 4-Tage-Woche mit 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich: Wird sie Tarifforderung für die Stahl-Tarifrunde Ende 2023? Darüber diskutiert die Tarifkommission Nordwest der IG Metall. Tatsächlich gibt es die 4-Tage-Woche längst in vielen Betrieben und Tarifverträgen der IG Metall.

Soll die IG Metall mit der Forderung nach einer 4-Tage-Woche in die Ende 2023 startende Tarifrunde in der Stahlindustrie gehen? Darüber diskutieren aktuell die Mitglieder der Tarifkommission in der nordwestdeutschen Stahlindustrie. Der Vorschlag kam von der IG Metall-Verhandlungskommission, der auch zahlreiche Betriebsräte aus Stahlbetrieben angehören. Genauer gesagt geht es um eine 4-Tage-Woche mit 32 statt 35 Stunden, bei vollem Lohnausgleich.

Die 4-Tage-Woche wird derzeit weltweit diskutiert, in vielen Staaten wird experimentiert: Beschäftigte arbeiten motivierter, produktiver und gesünder – und können Arbeit und Leben besser vereinbaren, Stichwort „Work-Life-Balance“. Betriebe werden durch die 4-Tage-Woche attraktiver für Fachkräfte – und können damit in Krisen Arbeitsplätze sichern. Und schließlich ist die 4-Tage-Woche auch gut fürs Klima, spart Arbeitswege und Energie.

4-Tage-Woche gibt es schon – in den Tarifverträgen der IG Metall

Wann kommt die 4-Tage-Woche endlich auch in Deutschland? Diese Frage geistert seit Wochen durch die Medien. 70 Prozent der Beschäftigten würden sich laut Umfragen eine 4-Tage-Woche wünschen.

Die Antwort: Die 4-Tage-Woche gibt es längst. Viele Tarifverträge der IG Metall ermöglichen die Absenkung der Arbeitszeit für Betriebe sowie Wahlarbeitszeiten für Beschäftigte – auch in der Eisen- und Stahlindustrie.

Bei Thyssenkrupp etwa können die Beschäftigten ihre Wochenarbeitszeit zwischen 33 und 35 Stunden selbst wählen. Bei Arcelor Mittal in Bremen sind ebenfalls 32 Stunden möglich. Die beiden Konzerne machen schon fast die Hälfte der Stahl-Beschäftigten in Deutschland aus. „Mir kann also niemand erzählen, dass das nicht geht“, erklärt Knut Giesler, Verhandlungsführer und Bezirksleiter der IG Metall NRW. „Wir wissen ja, dass es funktioniert.“

Beschäftigte können 4-Tage-Woche wählen – aber ohne Lohnausgleich

Bei Arcelor Mittal und Thyssenkrupp wählen viele Beschäftigte kürzere Arbeitszeiten – obwohl sie dabei Geld verlieren. Denn einen Lohnausgleich für die individuell gekürzten Arbeitsstunden zahlen die Arbeitgeber derzeit nicht. Und genau das ist der entscheidende Knackpunkt: Eine 4-Tage-Woche musst Du Dir auch leisten können.

Einen teilweisen Ausgleich zahlen die Arbeitgeber nur bei Absenkung der Arbeitszeit in Krisen: Die Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung der IG Metall ermöglichen eine Absenkung der Arbeitszeiten – in der nordwestdeutschen Stahlindustrie bis auf 28 Stunden, wobei die Beschäftigten dann bis zu 1,75 Stundenlöhne vom Arbeitgeber als Ausgleich erhalten.

Auch in der Metall- und Elektroindustrie gibt es Tarifverträge zur Beschäftigungssicherung. Und auch dort können Beschäftigte ihre Arbeitszeit individuell absenken, auf „verkürzte Vollzeit“, sogar bis auf 28 Stunden – allerdings auch hier ohne Entgeltausgleich. Daneben war eine 4-Tage-Woche Teil der Metall-Tarifforderung 2021. Heraus kamen neue Modelle für eine 32-Stunden-Woche.

Die 4-Tage-Woche gibt es auch in Betrieben anderer Branchen, etwa im Handwerk. Zudem setzte die IG Metall Wahlarbeitszeiten in zahlreichen Haustarifen durch, etwa bei den IT-Dienstleistern Atos und CARIAD, zuletzt auch bei der VW-Tochter für E-Auto-Batterien PowerCo.

Eine Herausforderung ist noch, wie die 4-Tage-Woche für Beschäftigte in Schichtarbeit umgesetzt werden kann. In der Eisen- und Stahlindustrie gibt es eine Vielzahl verschiedener Schichtmodelle.

4-Tage-Woche erstmals bei VW 1993

Tatsächlich hat die IG Metall schon 1993 die 4-Tage-Woche erstmals durchgesetzt – bei Volkswagen. Damals war die Autoindustrie in einer tiefen Krise. 30 000 Arbeitsplätze hat die IG Metall damals bei VW gesichert.

Die Verkürzung der Arbeitszeit war von Beginn an Top-Thema der Gewerkschaften – Ende des 19. Jahrhunderts war der 8-Stunden-Tag zentrale Forderung – und insbesondere der IG Metall: 1984 setzte die IG Metall die Einführung der 35-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroindustrie mit einem fast sieben Wochen langen Streik durch – als Mittel gegen die Massenarbeitslosigkeit, aber auch unter dem Motto “Mehr Zeit zum Leben, Lieben, Lachen”.

Diskussion um 4-Tage-Woche läuft in den Stahl-Betrieben

Die 4-Tage-Woche wäre „für die Lebensqualität und die Gesundheit ein großer Fortschritt“, findet Stahl-Verhandlungsführer Knut Giesler. Er will die 4-Tage-Woche als Vorschlag Ende April in die Tarifkommission einbringen. „Die bisherigen Rückmeldungen aus den Belegschaften sind ausgesprochen positiv.“

„Die 4-Tage-Woche wird seit Jahren von der IG Metall nicht nur gesellschaftlich vorangetrieben, sondern auch konkret umgesetzt“, erklärt Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall. „Die Forderung, in der Stahlbranche die 4-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich umzusetzen, zielt erstmals auf einen kollektiven, tariflich abgesicherten Anspruch für Beschäftigte einer ganze Branche. Das ist ein nächster Schritt in eine attraktive industrielle Arbeitswelt, die Leben und Arbeit gut vereinen lässt.
Zum Podcast „Maloche und Malibu“ – Folge 8 zur 4-Tage-Woche